Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

230. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

R. Schumann, Sonate g-moll op. 22; F. Mendelssohn, Variations sérieuses


Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


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Robert Schumann,
Sonate g-moll op. 22

So rasch wie möglich
Andantino
Scherzo, sehr rasch und markiert
Presto

Felix Mendelssohn Bartholdy,
Variations sérieuses d-moll op. 54


Die Sonate op. 22 von Robert Schumann ist auf den ersten Blick außerordentlich klassisch gebaut: Ein schneller Kopfsatz, eine lyrischer langsamer Satz, der das Schumann-Lied „Im Herbst“ zitiert, ein Scherzo und ein virtuoses Finale. Man denkt beim ersten Blick in die Noten an eine große Beethoven- oder Schubertsonate. Beginnt man die Vortragsbezeichnungen zu lesen, stößt man allerdings schnell auf die eigentliche Bedeutung der Sonate. Im ersten Satz schreibt Schumann als Tempobezeichnung „So rasch wie möglich“, einige Seiten später gibt er an „schneller“ und über die Coda schreibt er „noch schneller“. Ähnlich verhält es sich im Finale.

Durch das vorgeschrieben Tempo entsteht in der Sonate eine Art Rausch, der angesichts der streng klassischen Form des Werkes die Vermutung erlaubt, dass Schumann mit diesen übersteigerten Tempi dem Korsett ebendieser klassischen Form entfliehen will.

Vielleicht aber sind die rasenden Tempi der g-Moll-Sonate auch einfach Ausdruck für Schumanns rasende Liebe zu Clara Wieck, seiner späteren Ehefrau. Sie sollte die Sonate natürlich spielen und hatte von daher auch das Recht, die Komposition zu kritisieren. Sie merkte an, dass das ursprüngliche Finale „viel zu schwer sei“, so dass Schumann einen vollständig neuen vierten Satz schrieb, den er selbst als „sehr simpel, aber innerlich gut zum ersten Satz passend“ bezeichnet hat. Gerade das neue Finale ist jedoch mit dafür verantwortlich, dass die Sonate zu großem Ruhm gelangte.

Franck-Thomas Link


Die „Variations sérieuses“ op. 54 gelten als das bedeutendste Werk für Klavier solo aus Felix Mendelssohn Bartholdys Feder. Das Thema steht im Andante sostenuto und ist wie ein klassischer Streichquartettsatz gebaut. In seufzenden Synkopen und Vorhalten wird der schmerzliche Charakter heraufbeschworen, der im Verlauf des groß angelegten Stücks trotz verschiedenster Veränderungen weitgehend erhalten bleibt.

Über den Titel wurde in der Fachwelt oft diskutiert, wobei unentschieden blieb, ob sich das „sérieux“ (frz. = „ernst") auf den Charakter der Musik bezieht oder auf die Variationstechnik an sich. Denn seit Beethoven hatte die Variationstechnik an Bedeutung gewonnen. Abgesehen von wenigen höchst prominenten Werken wie etwa Bachs Goldberg-Variationen galt sie bis dahin als eine eher spielerische Möglichkeit, ein Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Beethoven hatte sich von dieser „losen Folge“ verabschiedet und seine großen Variationswerke zu dramaturgisch aufgebauten Gesamtsätzen geformt. Das bedeutete auch, dass sich eine Variation oft aus der Struktur der vorangegangenen ergab, sei es durch weitere Durchführung oder durch starke Kontrastierung. So wurde die Variationsform gewissermaßen revolutioniert und war nicht länger eine Spielerei, an der sich Komponisten üben konnten wie Instrumentalisten an Etüden. Man kann also vermuten, dass Mendelssohn seinem Werk auch deshalb diesen Titel gab, um darin seine kompositionstechnische Absicht anzuzeigen – zweifellos inspiriert von Beethoven, insbesondere von dessen 32 Variationen in c-moll WoO 80.

Aufgrund der technischen Anforderungen an den Pianisten werden die „Variations sérieuses“ oft bei internationalen Klavierwettbewerben als Pflichtstück ausgewählt. Sie sind gewissermaßen ein Katalog aller Klaviertechniken, die bis zur Entstehungszeit des Werkes existierten.

Franck-Thomas Link


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