Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

Lunchkonzert in der Laeiszhalle

Flötensonaten von Bach und Schubert


Brahmsfoyer der Musikhalle Hamburg, Gastronomie ab 11.30 Uhr


Johann Sebastian Bach,
Sonate für Flöte und Klavier h-moll BWV 1030

Andante
Largo e dolce
Presto

Franz Schubert,
Variationen über das Lied „Trockne Blumen“ aus dem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ für Flöte und Klavier D 802

Introduktion (Andante)
Thema (Andantino)
Variationen I-VI
Variation VII (Allegro)


Unglaubliche Welten tun sich auf, wenn der Großmeister Bach persönlich seine ganze Genialität in solistische oder klein besetzte Kammermusik verpackt. Seine zahlreichen Sonaten für Traversflöte oder Violine und obligates Cembalo üben eine magische Anziehungskraft aus, der sich kein Kammermusiker entziehen kann. Die Sonate für Flöte und Klavier (Cembalo) in h-Moll BWV 1030 blickt auf eine lange Entstehungszeit zurück. Sie beginnt mit einer gegen 1720 in Köthen konzipierten Fassung in g-Moll, doch der Autograph der endgültigen Fassung ist auf Mitte 1730 datiert, eine Zeit, in der Bach schon lange in Leipzig lebte. Die Sonate ist dreisätzig, nach der Concerto-Ordnung schnell-langsam-schnell angelegt. Ein eher feierliches Andante eröffnet den Satz, dessen gemessenes Tempo unerläßlich erscheint angesichts seines komplizierten Satzaufbaus und der höchst farbigen Kontrapunktik. Dieses Andante zählt nicht nur zu den längsten, sondern auch zu den bedeutendsten Bachschen Sonatensätzen. Bachs künstlerische Ökonomie, seine großartige Fähigkeit, in keinen Augenblick den Eindruck kalkulierter Konstruktion entstehen zu lassen, lassen den Satz trotz seiner zahlreichen polyphonen Verflechtungen dennoch nicht überladen oder kopflastig erscheinen.

Henning Albrecht


Man kann sagen, dass Franz Schuberts Liedschaffen eine Art Werkstatt für seine ureigene musikalische Sprache und Melodik war. Viele offensichtliche und noch mehr versteckte Zitate von Liedern haben Einzug in seine Klaviersonaten. Auch in Schuberts symphonischem Schaffen steht die Melodie im Vordergrund. In gleich 4 großen Werken beschäftigte er sich explizit mit Liedern aus seinem eigenen Repertoire. Das prominenteste ist sicher das Quartett „Der Tod und das Mädchen“, im selben Atemzug muss man natürlich die „Wandererfantasie“ für Klavier und das „Forellenquintett“ nennen.

Die Variationen über das Lied „Trockene Blumen“ für Flöte und Klavier stehen im Konzertleben ein wenig im Schatten der genannten Schwesterwerke. Nichtsdestotrotz gilt das Werk als eines der wichtigsten Werke des 19. Jahrhunderts für die Besetzung Flöte und Klavier. Es Schuberts einzige Originalkomposition für die Flöte. Das Thema stammt aus der Nummer 18 des Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ nach Wilhelm Müller. Der Liedzyklus entstand im Oktober / November 1823, die Variationen datieren vom Januar 1824. Sie wurden wahrscheinlich für den Flötisten Ferdinand Bogner geschrieben.

Das Prinzip der Aufnahme von Melodien, in denen sich sein innerster Ausdruckswunsch manifestierte, aus seinem Liedschaffen in die Instrumentalmusik ist vergleichbar mit dem Mikroskopieren: Wenn Schubert seine Lieder in die Instrumentalmusik eingeflocht, war er offensichtlich davon getrieben, diesen komprimierten Ausdruck weiter zu entfalten.

Das Lied „Trockene Blumen“ ist die emotionale Darstellung eines verletzten Liebenden im Wandel von tiefer Depression zu überschwänglicher Lebenshoffung. Dieser dramatische Vorgang ist im Lied auf etwa 3 Minuten komprimiert.

Sowohl das Lied als auch die Variationen beginnen mit der Darstellung einer entsetzlichen Phase von Todessehnsucht. Von Variation 4 zu 5 kippt die Depression, analog zum Lied, in überschwängliche Fröhlichkeit. (Instrumental: Dur, rasendes Tempo, scheinbar fröhliche Rhythmen etc.)

Die Dramatik des Liedes stellt Schubert im Variationszyklus u. a. dadurch her, dass er für die Spieler grenzwertig technische Anforderungen stellt. Die „transzendentale Kraft der technischen Schwierigkeit“ (Claudio Arrau) ist in Schuberts Kammermusikwerken zum Thema Lied stets anwesend.


Trockne Blumen.


Ihr Blümlein alle,
Die sie mir gab,
Euch soll man legen
Mit mir in's Grab.

Wie seht ihr alle
Mich an so weh,
Als ob ihr wüßtet,
Wie mir gescheh'?

Ihr Blümlein alle,
Wie welk, wie blass?
Ihr Blümlein alle,
Wovon so nass?

Ach, Thränen machen
Nicht maiengrün,
Machen todte Liebe
Nicht wieder blühn.

Und Lenz wird kommen,
Und Winter wird gehn,
Und Blümlein werden
Im Grase stehn,

Und Blümlein liegen
In meinem Grab,
Die Blümlein alle,
Die sie mir gab.

Und wenn sie wandelt
Am Hügel vorbei,
Und denkt im Herzen:
Der meint' es treu!

Dann Blümlein alle,
Heraus, heraus!
Der Mai ist kommen,
Der Winter ist aus.

Wilhelm Müller, 1820 / 21

Franck-Thomas Link


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