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Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

303. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Werke von Francis Poulenc und Gabriel Pierné u. a.

Unser 303. Lunchkonzert ist ein Kurztrip nach Paris. Wir hören Oboe und Englischhorn singen und scherzen.



Der Eintritt ist frei.


Börsensaal der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, U Bahn Rathaus


Tagesprogramm als PDF


303. Lunchkonzert in der Handelskammer Hamburg

Gabriel Pierné (1863-1937), „Serenade“ und „Pièce“ für Oboe und Klavier

Pierre de Bréville (1861-1949), „Vocalise-Etude pour voix élevées“ für Englischhorn und Klavier

Eugène Bozza (1905-1991) „Aria“ für Oboe und Klavier für Englischhorn und Klavier

Francis Poulenc (1899-1963), Sonate für Oboe und Klavier: Élégie (Paisiblement) | Scherzo (Très animé) | Déploration (Très calme)


Der warme Klang der Oboe kommt der menschlichen Stimme sehr nahe. Eine ihrer wichtigsten Vorgängerinnen ist die Schalmei. Die Entwicklung der sogenannten Doppelrohrblatt-Instrumente geht zurück bis ins zweite Jahrtausend vor Christus. Die erste Barock-Oboe wurde im 17. Jahrhundert in Frankreich gebaut. Der Komponist Jean-Babtiste Lully hatte den Pariser Instrumentenbauer Jean Hotteterre beauftragt, dieses Instrument durch den verbesserten Nachbau alter arabischer, griechischer und römischer Vorbilder zu entwickeln. Die Oboe ist ein typisch französisches Instrument und hat in der französischen Musik seit ihrer Findung immer eine bedeutende Rolle gespielt. Ihr Name kommt von dem französischen „Haut-Bois“ (hohes Holz).

Ein wesentliches Nebeninstrument der Oboisten ist das Englischhorn. Es ist in seiner Mechanik der Oboe ähnlich, klingt aber in der tieferen Altlage. Seinen Namen hat das Instrument aufgrund eines sprachlichen Irrtums. Es wurde ebenso wie die Oboe in Frankreich entwickelt und als „Cor anglé“ („angewinkelt“) bezeichnet. Ungenaue Aussprache führte dann dazu, dass es sich sein Name irgendwann in „Cor anglais“ („englisch“) verwandelte. Das Englischhorn erweitert das Klangspektrum eines Oboisten enorm.

Unser 303. Lunchkonzert ist ein Ausflug nach Paris. Vor der berühmten Sonate von Francis Poulenc erklingen drei kleinere Kompositionen von hierzulande selten aufgeführten Komponisten der französischen Spätromantik. Wir haben in diesem ersten Abschnitt des Konzertes gefragt: Was ist eigentlich französische Romantik in der Musik? Wer war da noch neben Saint Saëns und Berlioz?

Dem auch heute noch berühmten Weltstar Poulenc die Herren Pierné, de Bréville und Bozza gegenüberzustellen liegt nahe. Alle vier Komponisten waren Pariser Berühmtheiten und haben sich gekannt, alle vier haben sich am Conservatoire getummelt, und alle vier waren im Pariser Konzertleben als Dirigenten und Interpreten äußerst präsent.

Ins Zentrum des Konzertes stellt Simon Strasser das Englischhorn mit zwei Stücken von Pierre de Bréville und Eugène Bozza. Diese Stücke zeigen eindrucksvoll die sanglichen Stärken der Oboeninstrumente. Weitere Qualitäten der Oboe sind ihre naturverbundene Anmut und ihr Witz. Man denke an all die Hirten, die des Abends mit der Schalmei ihr Tal beschallten und sicher nicht nur verträumte Romanzen improvisierten, sondern wahrscheinlich auch lustige Töne mit ihren klanggewaltigen Instrumenten in die Natur hinausschickten. Die beinahe folkloristische Eröffnung des Konzertes mit zwei Stücken von Gabriel Pierné zeigt die elegante Volkstümlichkeit, derer die Oboe mächtig ist.

Den Witz der Oboe greift Francis Poulenc in seiner Oboensonate vor allem im Scherzo, dem zweiten Satz, auf. Ich erinnere mich, wie ich als Junge diesen Satz zum ersten Mal hörte und Tränen lachte vor Glück. Das war auf einem Telefunken-Plattenspieler mit eingebautem Lautsprecher. Ich war jung genug, um übersehen zu können, dass es sich bei dieser Sonate um sein Abschiedswerk handelt. „Eine charmante Vulgarität erscheint mir wichtiger als das vorgeblich tiefe Gefühl der Romantik“, soll Poulenc einmal gesagt haben. Diese Art der emotionalen Distanz kaschiert eine schüchterne Bitterkeit in Poulencs Wesen, die er für Momente ganz sicher überwand, als er den letzten Satz der Sonate schrieb. Er ist nicht mit „Au revoir“ („Auf Wiedersehen“) überschrieben, sondern mit „Déploration“ („Klage“).

Franck-Thomas Link


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