Remigriert euch ins Knie! 💩

Hamburger Kammerkunstverein

Veranstaltungen mit Herz und Hirn.

Pianissimo II

Klassik im Tunnel - Matineekonzert in der Gallery Mytoro

Nicholas Ashton

Joseph Haydn, Sonate Hob. XVI:41 B-Dur
Arnold Schoenberg, 6 kleine Klavierstücke op. 19
Wolfgang Amadeus Mozart, Sonaten für Klavier zu 4 Händen D-Dur KV 381 und B-Dur KV 358
Ludwig van Beethoven, Sonate op. 26 As-Dur



Gallery Mytoro und Hamburger Kammerkunstverein laden ein zur 2. Saison der Kammermusikreihe „Klassik im Tunnel“.

Der Eintritt ist frei, für das leibliche Wohl ist gesorgt. Die Anzahl der Plätze ist begrenzt, wir bitten um telefonische Reservierung bei der Gallery Mytoro unter 040 / 55431313 oder per Email unter gallerist@mytoro.de.


Gallery Mytoro, Lüneburger Straße 1a, 21073 Hamburg, Gloriatunnel, Bhf. Harburg, Ausg. Moorstraße, beim Cinemaxx


Joseph Haydn,
Sonate Hob. XVI:41 B-Dur

Allegro
Allegro di molto

Arnold Schönerg,
Sechs kleine Klavierstücke op. 19

Wolfgang Amadeus Mozart,
Sonate für Klavier zu vier Händen F-Dur KV 497

Adagio - Allegro di molto
Andante
Allegro

Ludwig van Beethoven,
Klaviersonate op. 26 As-Dur

Andante con Variazioni
Scherzo, Allegro molto
Marcia Funèbre
Allegro


Diese Sonate ist die zweite aus einer Sammlung von insgesamt drei Sonaten, die zusammen als Hob. XVI 40 G-Dur, 41 B-Dur und 42 D-Dur herausgegeben wurden. Haydn komponierte die Sonaten im Jahr 1784 und widmete sie der Prinzessin Marie Esterhazy, bei deren Familie er angestellt war. Im Zusammenhang mit dem Entstehungsjahr fällt auf, dass sich in diesem Jahr Haydn und Mozart begegnet waren. Zwischen beiden Komponisten entspann sich sofort eine Beziehung, die auf gegenseitiger Bewunderung beruhte. Die sechs sogenannten „Haydnquartette“, die der jüngere Mozart Joseph Haydn widmete, sind eine greifbare Folge dieser Begegnung.

Allerdings bringt ein Vergleich zwischen dem, was Mozart in diesem Jahr für Klavier komponierte, zu diesen Sonaten Haydns kaum einen Hinweis auf den Einfluss der beiden Komponisten aufeinander. Mozart arbeitete u. a. in dieser Zeit an seiner dramatischsten und meist vorwärtsgerichteten Klaviersonate in c-moll KV 457, während sich Haydn in seinen Sonaten zu jener Zeit mit einer wesentlich heitereren Stimmung beschäftigt.

Der erste Satz, ein lebhafter und prägnanter Sonatensatz, beginnt zunächst mit einer verspielten, fast schon kokett-humoristischen Eröffnung in marsch-ähnlichem punktiertem Rhythmus, den Haydn dann später im zweiten Thema aufbricht. Dieses zweite Thema ist im Gegensatz zum ersten Thema eine graziöse und nachdenkliche Melodie, die von schlichten Triolen begleitet fast wie eine Arie wirkt. Die Durchführung – ganz typisch für Haydn – schert abrupt in eine drastische Modulation nach Des-Dur aus. Kein anderer Komponist verstand sich besser darauf, in seinen Durchführungen das Publikum kollektiv zum Luftanhalten zu bringen wie Josph Haydn. An dieser Stelle schafft Haydn einen Moment von höchster Instabilität! Er tut das mit größter Intelligenz und unterschätztem Witz.

Der zweite Satz ist ein gleichermaßen raffinierter Rondosatz. Der Anfang des Satzes birgt eine gewisse Ähnlichkeit mit der Struktur des etwa 36 Jahre später komponierten Giganten „Hammerklaviersonate“ op. 106 von Ludwig van Beethoven in sich. Während immer wieder die enge Beziehung zwischen Haydn und Mozart besprochen wird, wird allzu leicht übersehen, eigentlich sogar: missinterpretiert, dass auch Beethoven ein großer Bewunderer und Kenner von Joseph Haydns Schaffen war. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich selbst diese von Leichtigkeit und Humor getragene Sonate (übrigens in der selben Tonart wie die Hammerklaviersonate!) Beethovens Aufmerksamkeit entzogen haben könnte.

Nicholas Ashton


Schönbergs Klavierkompositionen sind historisch gesehen von großer und einflussreicher Bedeutung, obwohl er – anders als seine Zeitgenossen Bartók, Stravinsky und Prokovieff – kein ausgebildeter Pianist war. Sein Klavierwerk ist wesentlich vielgestaltiger als das seiner engsten Kollegen Alban Berg, dessen einziges Stück für Klavier die Sonate op. 1 ist, und Anton Webern, der ebenfalls ein einziges Klaviestück, Variationen op. 27, hinterlassen hat. Schönberg komponierte 4 Sammlungen von Klavierstücken op 11, 19, 23, 33, eine Suite op. 25 und natürlich sein Klavierkonzert op. 42.

In seiner Vorliebe für kleine Formen, innerhalb derer er mit neuen kompositorischen Ideen und Techniken experimentierte, kann man Schönberg gut mit Johannes Brahms vergleichen, den er für sein progressives und ebenso experimentelles Wesen schätzte. Die musikalische Sensibilität, die diese beiden Komponisten gemeinsam haben, wird oft übersehen. Trotz aller innovativen Ansätze seiner Kompositionstechniken war Schönberg ein Komponist mit sehr romantischen Wurzeln. Er stand in der deutsch-wienerischen Tradition von Haydn und Beethoven, was sein wunderbares Buch „Grundlagen der musikalischen Komposition“ sehr gut veranschaulicht.

Die Klavierstücke op. 19 entstanden im Jahr 1911. Sie stellen vielleicht das konzentrierteste Werk des Komponisten dar. Der innere Hauptgedanke dieser Musik ist melodisch, sorgfältig eingewoben in einen atonalen Rahmen, obwohl die Erinnerung an harmonische Auflösung noch über dieser Musik zu schweben scheint, insbesondere bei harmonischen Wendepunkten und an einigen Phrasenenden.

Die Kürze der Stücke, ihre leisen Klangfarben und die Arbeit mit kleinen Melodiefragmenten oder -zellen zeigen eine größere Affinität zu Anton Webern als alle anderen Werke Arnold Schönbergs.

Das erste Stück ist mit 17 Takten ist das umfangreichste der Sammlung. Es besteht aus acht feingliedrigen Phrasen, die von winzigen kadenzartigen Zwischenspielen unterbrochen werden. Diese kleinen Zwischenspiele sind in ihrem punktierten Rhythmus und höchst filigranen Arperggios unverkennbar.

Im zweiten Stück steht ein statisch rythmisiertes Motiv auf einer kleinen Terz im Zentrum. Über dieses repetierende Terzmotiv fließt eine kurze Melodie hinweg. Herrlich!!!

Im dritten Stück stellt Schönberg in der rechten Hand dichte Forte-Akkorde melodischen Konturen der linken Hand in Pianissimo-Oktaven gegenüber.

Das vierte Stück beginnt sehr zart mit luftig punktierten rhythmischen Figuren und endet in brutal gehämmerten Umkehrungen dieser Eröffnung.

Auch das fünfte Stück, eine geisterhafte Reminiszenz an ein Menuett, beginnt ebenfalls sehr ruhig und explodiert dann nach sehr kurzer Zeit in Kaskaden von abfallenden großen und kleinen Terzen.

Das letzte Stück aus op. 19 ist eine außergewöhnlich ergreifende Hommage an Gutav Mahler, der zwei Wochen, bevor Schönberg das Stück schrieb, gestorben war. Man nimmt an, dass dieses Stück als eine Art Anti-Trauermarsch einzuordnen ist, in dem die Akzente auf den schweren Taktteilen eliminiert sind. In diesem Stück arbeitet Schönberg mit absoluten Extremen der leisen Dynamik, am Ende schreibt er ein vierfaches Pianissomo vor mit der Anmerkung „wie ein Hauch“.

Nicholas Ashton


Denkt man an die Gattung „Klaviermusik zu vier Händen“, denkt man zunächst an Hausmusik und geselliges und unbeschwertes Musizieren. Die Gattung spielte eine große Rolle bei der Verbreitung von Symphonien, Opernmelodien, Volksliedern und Märschen, bevor es Radios und Tonträger gab. Auch von Mozart gibt es einige Sonaten, die dem Zweck des häuslichen Musizierens dienten.

Die Sonate F-Dur KV 497 aus dem Jahre 1786 dagegen ist ein Meisterwerk aus der Feder Mozarts, das eher zufällig für Klavier zu vier Händen gesetzt ist. Schon rein spieltechnisch wäre diese Sonate für Amateure in den wenigsten Fällen geeignet. Der musikalische Entwurf dieses Werkes hätte genauso gut für einen Streicherensemble oder ein Orchester ausgeführt werden können.

Sie ist Mozarts größte Klaviersonate für vier Hände. Mit ihr schuf er eine Tradition, in der sich später auch Komponisten wie Schubert, Brahms und Mendelssohn bewegten. Innerhalb des Vierhändig-Repertoires gibt es nur wenige Werke, die in ihrer Anlage ähnlich symphonisch ausladend und kunstvoll gebaut sind.

Der erste Satz wird von einer gleichermaßen dramatisch-bedrohlichen wie ruhig fragenden Introduktion eröffnet. Das Hauptthema, das zunächst vom ersten Pianisten allein vorgestellt wird, erinnert an einen typischen Holzbläsersatz. Das Seitenthema, eigentlich eher ein Motiv als ein wirklich ausgereiftes Thema, wird noch in der Exposition derart durchgeführt, dass quasi ein zweites Seitenthema entsteht. Diese Seitenthemen stellen in ihrem lyrischen Charakter einen wunderbaren Kontast zum Hauptthema dar. Die Durchführung des ersten Satzes wird von Wissenschaftlern oft als eine der großartigsten Durchführungen in Mozarts Gesamtwerk gelobt: Zum eine ist die thematische Verwebung fast beispiellos, darüber hinaus kontrastiert sie durch motorische Elemente, die Mozart in der Exposition noch nicht angekündigt hatte, sehr stark zur Exposition, was bedeutet, dass Mozart hier der Sonatenhauptsatzform einen ganz neuen Inhalt gab, ohne die eigentliche Form zu verlassen oder zu brechen.

Der zweite Satz ist filigranes Andante, das ebenfalls auf zwei Themen aufgebaut ist, die sich gegenseitig vor allem in ihrer Dynamik von einander absetzen. Allerdings handelt es sich formal nicht um einen Sonatensatz, sondern um eine dreiteilige Liedform.

Das Finale, ein äußerst brillantes Rondo, das an Einfallsreichtum kaum zu überbieten ist, rundet die Sonate ab. Das verspielte Ritornell gibt eine ausgezeichnete Grundlage für die verschiedensten charakterlichen Inhalte in den Episoden des Rondos. Oft wird die Heiterkeit des Ritornells durch dunkle, virtuose Zwischenspiele gestört, oft wird sie durch noch größere Spielfreude an anderen Stellen überhöht - ein Feuerwerk an kompositorischen Meisterleistungen.

Franck-Thomas Link


Diese Sonate entstand im Jahr 1802 in Wien. Sie ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Beethovens graduelle Weiterentwicklung der strengen Sonatenform hin zu individuellen Formstrukturen. Dieses Bestreben spielte in Beethovens Schaffen, vor allem in den Sonaten der mittleren und späten Periode eine wesentliche Rolle. Keiner der vier Sätze ist in der Form des Sonatenhauptsatzes gehalten: der erste Satz ist ein Thema mit Variationen, der zweite ist ein schnelles, raffiniertes Scherzo mit Trio, der dritte ein Trauermarsch, und das Finale ist ein Rondo.

Daraus ergibt sich ein damals neuartiges Zusammenspiel von formaler Struktur und expressivem Inhalt. Dadurch wirkt die Musik weniger formell und fließender als frühere Werke Beethovens. Die beiden folgenden Beethoven-Sonaten op. 27, sind mit „Quasi una fantasia“ überschrieben, diese Bezeichnung könnte in direkter Verbindung mit den Experimenten, mit denen Beethoven in der As-Dur Sonate op. 26 begonnen hatte, stehen.

Die Tonart As-Dur zeichnet eine esspressive und lyrische Haltung des Komponisten nach; der langsame Satz seiner vielleicht berühmtesten Sonate, der „Pathétique“ op. 13 (c-Moll), steht in dieser Tonart, ebenso der außergewöhnliche langsame Satz der etwas weniger bekannten Sonate in c-moll op. 10 Nr. 1. In beiden Fällen benutzt Beethoven die Tonart As-Dur für den langsamen Mittelsatz, um aufzuatmen inmitten des Dramas und der Spannung der Ecksätze in der Grundtonart c-moll. Beethoven hat hier ein Tonartenverhältnis geschaffen, das in der Musiktheorie als „Gegenklang“ bzw. „Unter- und Obermediante“ bezeichnet wird, das zu einem festen Begriff im harmonischen Denken der Komponisten wurde. Auch Franz Schuberts Harmonik ist sehr stark von dieser beethovenschen Findung beeinflusst.

Beethoven hat am Ende seines Schaffens noch eine zweite Sonate in As-Dur komponiert. Dabei handelt es sich um die Sonate op. 110, die den expressiv-lyrischen Aspekt der Sonate op. 26 wieder aufnimmt und meisterhaft auf die Spitze treibt.

Beide Faktoren, die formale Struktur und die harmonischen Verhältnisse der Sonate op. 26, sind offenbar auch Frédéric Chopin ins Auge gefallen. Er hat diese Sonate sehr bewundert und oft unterrichtet. Auch ist es möglich, dass der dritte Satz, der Trauermarsch, eine Art Ausgangspunkt war für den Trauermarsch, den Chopin in seiner Sonate b-moll op. 35 komponierte. Ein innerer Unterschied ist, dass Beethovens Trauermarsch einem gefallenen Helden gezollt ist, während es bei Chopin um einen Abgrund von Trauer, Einsamkeit und Verlust geht.

Nicholas Ashton